Blind vertrauen: Ein Besuch im Dialoghaus Hamburg 

Schwarze Fläche mit zwei Sprechblasen in Puzzleform.

Verdammt, wo steht denn nur das Glas auf der Theke? Und welchen Schein habe ich dem Barkeeper eigentlich gerade zum Bezahlen gegeben? Wie es sich anfühlt, sich in einer Welt ohne Licht zurechtzufinden, habe ich im Dialoghaus Hamburg erlebt. Eine Stunde lang haben wir mit Hilfe eines blinden Guides einen „Dialog im Dunkeln“ erlebt. Anschließend ging es zum „Dialog im Stillen“.

Was ist das Dialoghaus Hamburg?

Das Dialoghaus Hamburg wurde im Jahr 2000 eröffnet, zunächst mit der Erlebnisausstellung Dialog im Dunkeln. Über die Jahre kamen weitere Formate hinzu, darunter das Dinner in the Dark, Dialog im Stillen sowie pädagogische Angebote für Schulklassen und Workshops für Unternehmen. Die Erlebnisausstellung will ein Ort für Inklusion, Empathie und Perspektivwechsel sein. Du kannst erleben, wie es ist, sich in völliger Dunkelheit oder in absoluter Stille auf andere Sinne zu verlassen als die, die du gewöhnlich im Alltag benutzt. Und du merkst, wie einfach es ist, trotzdem miteinander in Kontakt zu kommen. Jährlich besuchen rund 90.000 Menschen das Dialoghaus Hamburg.

Exponat mit blauen interaktiven Tafeln an der Wand und einem runden taktilen Ausstellungstisch mit Handlöchern.

Vor oder nach den Führungen kannst du an interaktiven Stationen im Dialoghaus spielerisch deine Sinne einsetzen.

Im Dialoghaus arbeiten rund 80 Menschen, etwa die Hälfte davon mit einer sichtbaren oder unsichtbaren Behinderung. Alle Guides beim Dialog im Dunkeln sind blind oder sehbehindert. Die Guides beim Dialog im Stillen sind alle gehörlos oder stark hörbeeinträchtigt und kommunizieren in Gebärdensprache. Die Formate Dialog im Dunkeln und Dialog im Stillen gibt es übrigens über Partnerorganisationen mittlerweile in über 20 Ländern. Finanziert wird das Dialoghaus Hamburg über Ticketverkäufe und Spenden. Hier geht es zu den Tickets.

Hoteltipps für Hamburg
Das Dialoghaus Hamburg liegt mitten in der Speicherstadt in Hamburg, 15 Minuten zu Fuß vom Hauptbahnhof. Hoteltipps für die Gegend:

Blick auf einen Kanal in der Hamburger Speicherstadt mit hohen roten Backsteingebäuden unter bewölktem Himmel, mit einem Gebäude mitten im Kanal.

Direkt am Dialoghaus: das Wasserschloss im Wandrahmsfleet in der Speicherstadt.

Dialog im Dunkeln

Wir starten mit der Dunkeltour: Zwei Familien und ich warten gespannt darauf, was uns erwartet. Im Vorraum bekommt jeder von uns einen Blindenstock, um Hindernisse zu erkennen. Dann geht es in die totale Dunkelheit, wo uns Guide Rudi empfängt. Rudi ist von Geburt an blind und bewegt sich wie selbstverständlich durch die Räume, die wir uns erst erfühlen müssen.

Los geht es durch einen Park. Der Kies knirscht unter unseren Füßen, wir überqueren eine Brücke. Hoppla, da steht ein Fahrrad im Weg, um das wir uns herumtasten müssen. Spannend wird es anschließend in der kleinen Wohnung, die wir mit unseren Händen erkunden dürfen: Was macht denn der Schuh im Bücherregal? Und wo war nochmal das Sofa?

Wir überqueren eine Straße mit einer Ampel, die akustische Signale von sich gibt, und kehren in eine Bar ein. Eine Dame aus meiner Gruppe bestellt einen Kaffee und bereut es sofort, als sie das heiße Getränk im Stockfinstern bis zum Tisch manövrieren muss. Sicher auf unseren Stühlen sitzend, dürfen wir zum Schluss Rudi Löcher in den Bauch fragen: Auf was für eine Schule ist er gegangen? Wie findet er sich in einer neuen Umgebung zurecht? Und darf man zu einem Blinden sagen „Schau mal hier!“? Allein dieses Gespräch war für viele Teilnehmende im wahrsten Sinne des Wortes ein Augenöffner.

Eine Wandtafel, die das Braille-Alphabet mit erhabenen Punkten unter jedem Buchstaben zeigt.

Das Braille-Alphabet ermöglicht es blinden Menschen, mit ihren Händen Texte zu lesen.

Dialog im Stillen

Eine weitere Tour, die du im Dialoghaus buchen kannst, ist der Dialog im Stillen. Hier werden wir von einem tauben Guide durch verschiedene Stationen geführt. Wir bekommen einen Kopfhörer, damit wir auch untereinander nicht reden können.

An der ersten Station lassen wir die Hände tanzen: Wir üben erste Gesten, mit deren Hilfe gehörlose Menschen sich unterhalten. Beim Tiere-Raten lernen wir, wie Elefant, Frosch, Löwe & Co. in Gebärdensprache ausschauen. Kreativität ist gefragt, als wir unseren Teammitgliedern nur mit Hilfe von Gesten erklären sollen, wie sie verschiedene Bausteine zusammenstellen sollen.

Auch bei dieser Tour haben wir am Ende die Gelegenheit, unserem tauben Guide alle Fragen zu stellen, die uns interessieren. Ein Gebärden-Übersetzer hilft uns bei der Verständigung. Besonders berührt hat mich die Antwort auf die letzte Frage: „Kannst du von den Lippen lesen?“ – „Nein, das ist sehr schwer. Und ich weiß auch nicht, warum ich das lernen sollte. Warum müssen wir Gehörlosen uns immer anpassen? Stattdessen könnten andere ja mal ein bisschen Gebärdensprache lernen, um sich mit uns zu unterhalten.“

Ein marineblaues T-Shirt mit dem Schriftzug MOIN in Gebärdensprache, das neben Tassen und einer Topfpflanze in einem Regal hängt.

Für alle, die üben wollen: Moin in Gebärdensprache.

Lohnt sich ein Besuch im Dialoghaus Hamburg?

Wenn du in Hamburg bist, solltest du auf jeden Fall versuchen, ein Ticket für eine der Führungen im Dialoghaus zu bekommen.

Die Erlebnistouren machen nachdenklich, schärfen das Bewusstsein für die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und erlauben einen Perspektivwechsel: Während der Führungen sind die blinden und gehörlosen Menschen im Vorteil, weil sie sich auf ganz andere Art in der Welt zurechtfinden. Seit dem Dialog im Dunkeln achte ich bewusster auf Barrieren im Alltag und auf die Bedeutung von Orientierung. Der Dialog der Stille hat mich sensibilisiert für Körpersprache und Emotionen, mit denen sich genauso viel ausdrücken lässt wie mit gesprochener Sprache.

Auf jeden Fall bringen die Erlebnisführungen Menschen miteinander ins Gespräch. Und genau das ist das Ziel des Dialoghauses Hamburg: Erfahrungen schaffen, die verbinden.

Viele bunte Punkte mit dem Schriftzug

Das Bewusstsein für Integration zu schärfen, ist Ziel des Dialoghauses Hamburg.

Hast du schon einmal versucht, dich in Dunkelheit oder Stille zurechtzufinden und dabei mit anderen zu kommunizieren? Ich freue mich, in den Kommentaren von deinen Erfahrungen zu lesen.

Veröffentlicht am: 14. November 2025

5 Comments

  1. Miriam 24. November 2025 um 12:22 - Antworten

    Liebe Sabine,
    Das Dialogmuseum in Frankfurt war mein Lieblingsmuseum zu der Zeit, als ich dort wohnte. Der Aufbau ist ganz ähnlich, allerdings ist man „einfach“ durchgegangen im Stockfinsteren und hat sich ertastet. Ich finde es so toll, dass es diese Museen gibt und so auf ganz niedrigschwellige Art Sensibilität und Bewusstsein vermittelt wird. Dass ihr dem Guide am Ende Fragen stellen konntet, finde ich auch richtig toll! In Hamburg war ich noch nicht im Dialoghaus, steht aber weit oben auf meiner Liste.
    Liebe Grüße von Miriam

  2. Nadine 17. November 2025 um 16:47 - Antworten

    Ich war mal in Nijmegen im muZIEum, das ist auch so eine Art „Blinden-Museum“. Es wird von Blinden geleitet und vermittelt den Sehenden die täglichen Hürden und Struggles. Fand ich sehr beeindruckend. Nach einer Tour durch absolute Dunkelheit hat man auf jeden Fall nochmal eine Extraportion Respekt für blinde Menschen. Dialog im Stillen ist sicher auch beeindruckend. Danke für den Tipp. Setze ich mir mal auf die To-See-Liste. LG, Nadine

    • Sabine 17. November 2025 um 17:22

      Danke für den Tipp, Nadine. Toll, dass es noch weitere solcher Angebote gibt! Auf Inklusion kann man nie genug aufmerksam machen.

  3. Christian 15. November 2025 um 9:45 - Antworten

    Wir hatten einige Zeit einen gehörlosen Trainee in unserem Team. Ich war beeindruckt, wie er seine Aufgaben trotz der vielen Hürden für Gehörlose gemeistert hat. Während die Welt für uns Hörende gemacht ist und wir problemlos durch den Alltag navigieren, musste T. ständig an Zusätzliches Denken. Gibt es im Videocall eine/n Gebärdendolmetscher/in, wird an mich gedacht, wenn alle sich wie selbstverständlich mal eben für die Mittagspause verabreden, bekomme ich mit, wo sich die anderen versammeln, wird für die/den Gebärdendolmetscher/in geordnet genug geredet, so dass diese/dieser mitkommt. Ich habe viel gelernt und kann mir auch gut vorstellen, diese Erfahrungen durch einen Besuch des Dialoghauses zu vertiefen. Vielen Dank für Deinen Bericht!

    • Sabine 15. November 2025 um 11:43

      Hallo Christian, vielen Dank für deine Erzählung über Euren Trainee. Ich bin auch immer sehr beeindruckt, wie gut gehörlose und blinde Menschen sich zurechtfinden und ihren Alltag meistern. Und wie wichtig es ist, dass wir versuchen, ihnen so wenige Hürden wie möglich in den Weg zu stellen.

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Veröffentlicht am: 14. November 2025

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5 Comments

  1. Miriam 24. November 2025 um 12:22 - Antworten

    Liebe Sabine,
    Das Dialogmuseum in Frankfurt war mein Lieblingsmuseum zu der Zeit, als ich dort wohnte. Der Aufbau ist ganz ähnlich, allerdings ist man „einfach“ durchgegangen im Stockfinsteren und hat sich ertastet. Ich finde es so toll, dass es diese Museen gibt und so auf ganz niedrigschwellige Art Sensibilität und Bewusstsein vermittelt wird. Dass ihr dem Guide am Ende Fragen stellen konntet, finde ich auch richtig toll! In Hamburg war ich noch nicht im Dialoghaus, steht aber weit oben auf meiner Liste.
    Liebe Grüße von Miriam

  2. Nadine 17. November 2025 um 16:47 - Antworten

    Ich war mal in Nijmegen im muZIEum, das ist auch so eine Art „Blinden-Museum“. Es wird von Blinden geleitet und vermittelt den Sehenden die täglichen Hürden und Struggles. Fand ich sehr beeindruckend. Nach einer Tour durch absolute Dunkelheit hat man auf jeden Fall nochmal eine Extraportion Respekt für blinde Menschen. Dialog im Stillen ist sicher auch beeindruckend. Danke für den Tipp. Setze ich mir mal auf die To-See-Liste. LG, Nadine

    • Sabine 17. November 2025 um 17:22

      Danke für den Tipp, Nadine. Toll, dass es noch weitere solcher Angebote gibt! Auf Inklusion kann man nie genug aufmerksam machen.

  3. Christian 15. November 2025 um 9:45 - Antworten

    Wir hatten einige Zeit einen gehörlosen Trainee in unserem Team. Ich war beeindruckt, wie er seine Aufgaben trotz der vielen Hürden für Gehörlose gemeistert hat. Während die Welt für uns Hörende gemacht ist und wir problemlos durch den Alltag navigieren, musste T. ständig an Zusätzliches Denken. Gibt es im Videocall eine/n Gebärdendolmetscher/in, wird an mich gedacht, wenn alle sich wie selbstverständlich mal eben für die Mittagspause verabreden, bekomme ich mit, wo sich die anderen versammeln, wird für die/den Gebärdendolmetscher/in geordnet genug geredet, so dass diese/dieser mitkommt. Ich habe viel gelernt und kann mir auch gut vorstellen, diese Erfahrungen durch einen Besuch des Dialoghauses zu vertiefen. Vielen Dank für Deinen Bericht!

    • Sabine 15. November 2025 um 11:43

      Hallo Christian, vielen Dank für deine Erzählung über Euren Trainee. Ich bin auch immer sehr beeindruckt, wie gut gehörlose und blinde Menschen sich zurechtfinden und ihren Alltag meistern. Und wie wichtig es ist, dass wir versuchen, ihnen so wenige Hürden wie möglich in den Weg zu stellen.

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